Fremdschämen (24.8.16)

Ja, ich weiss, das ist ein Modewort. Und eigentlich müsste ich es auf Französisch übersetzen. Aber das ist wohl nicht so einfach. Also lasse ich es auf Deutsch, obwohl sich die Geschichte in der Romandie abspielte. Dabei muss ich bemerken, dass ich mich gerne in der Romandie aufhalte und die Romands sehr schätze. Was ich damit sagen will: Die Geschichte hätte sich überall in der Welt abspielen können.

Wir bestiegen als normale Ornithologen eine eingehauste Beobachtungsplattform, nicht gerade üppig ausgestattet, aber doch mit ganz gutem Blick auf eine interessante Naturschutzfläche mit interessanten Arten, wobei meistens alles ziemlich weit weg ist. Der Raum mit 5 Ausgucköffnungen war schon ziemlich dicht besiedelt: 3 Fotografen besetzten die eine Front und sie lagerten ihr Fotomaterial auf der üblicherweise frei liegenden Fläche. Auf unser Bonjour kam keine hör-oder sichtbare Reaktion. Neben einem Fotografen in Kampfmontur war noch ein halber Ausguck frei (er nutzte eineinhalb Ausgucke), den ich gerne zum Beobachten benutzt hätte. Es war aber so eng, dass ich nicht günstig hinstehen konnte um den Feldstecher aufzustützen, er reagierte nicht auf mein excusez-moi, und sein Ellbogen widerstand auch locker dem Druck des meinen. So zog ich mich zum fünften Ausguck zurück, wo ich schräg hinaus beobachten konnte. Doch da kam Erregung in die Fotografenschar, sie knipsten wie wild in eine Richtung. Die Feldstechernachschau ergab: Sie hatten einen Greifvogel in erstaunlicher Distanz gesichtet und fotografierten ihn wie wild, obwohl er weder nah noch frei sass, einzig das Licht stimmte. Einer der Drei wollte einen noch besseren Blickwinkel und stand direkt vor mich hin, um aus dem von mir benutzten Ausguck zu fotografieren. Als ich ihm sagte, er sei mir im Weg, meinte er nur lakonisch, dieses Hide sei ja schliesslich für alle da.

Und da muss ich ihm absolut recht geben.

Und: nein, hier kein Foto!